SPRINGHUHNS WERKE Puh, geschafft - Mai 1989 "Riechstofflabor", kam Stangenbrandt der zu erwartenden Frage zuvor. Die Ausdünstung, die von seiner Kleidung, seinem Haar, der Aktentasche, schlicht allem ausging und ein als undefinierbar aber aufdringlich und unangenehm empfundenes Geruchsgemisch darstellte, breitete sich in dem kleinen fensterlosen Hausmeisterbüro, Kabuff wäre die treffende Bezeichnung gewesen, rasch aus und zauberte einen angewiderten Ausdruck auf das Mausgesicht des in einer grauen Arbeitskluft hinter einem schäbigen, mit "Mat´rial", so wörtlich, überhäuften Schreibtisch hockenden Individuums. Nur ´n Stempel ´rein ins Heft und nicht diskutieren, dachte Stangenbrandt und hoffte, daß seine Duftwolke dazu beitrug, den Besuch im Bereich des sogenannten Sachbearbeiters/Beschaffungswesen, wie die korrekte Amtsbezeichnung des grauen Mannes lautete, kurz zu halten. Kittel ja, Brille hm. Glasgeräte 2, 3, 4, 5, 6, komplett, Berichtsheft, mrmsm brmsm. Spindschlüssel, da, Schubladenschlüssel... "der war schon so rostig!" - trübe wäßrige Augen richteten sich kurz, wortlos verweisend, auf den vorwitzigen Studenten - unablässig weitermurmelnd, malte der mausgraue Alte kryptische Buchstabenkombinationen in eine speckige Kladde, angelte schließlich und endlich mit aufreizend langsamer Bewegung seinen offiziellen Stempel aus der Schublade und setzte Namenszeichen und Stempelabdruck auf die vorgesehene Stelle in Stangenbrandts Berichtsheft; "Brief und Siegel, hehe, schwarz auf weiß.", krächzte er dabei in mißtönendem Singsang. Stangenbrandt fühlte sich versucht, die Finger hinter dem Rücken zur Abwehr böser Zaubersprüche zu kreuzen und retirierte eiligst aus dem Beschaffungsmeistereikabuff. (April 2001) Aus Kapitel 14 des Romans "MEINER" Bekanntlich sagen die Engländer zum Porzellan "china", und zwar, weil dieses ursprünglich aus dem Lande China stammte. Die Chinesen waren sehr darauf bedacht, das Geheimnis dieses edlen Materials nicht außer Landes gelangen zu lassen und bauten daher eine große, lange, breite Chinesische Mauer mit den bekannten Wachtürmen und Todesstreifen; dennoch gelang es eines Tages einem gewissen Kolumbus, das Geheimnis auszukundschaften und einige Eier (die sprichwörtlichen "Eier des Kolumbus" ) in einem hohlen Fahnenmast - so wie noch heute die Fußballhooligans ihre Alkoholika ins Stadion bringen - nach Europa zu schmuggeln. Der berühmte Dr. Faust, der damals auf der Wartburg gefangengehalten wurde, zog in seinem Garten daraus den ersten europäischen Porzellanbaum, im Dialekt der Einheimischen "Purzelbaum" genannt, der schon im 7. Jahr Fingerhüte, ab dem 12. Teetassen und vom 20. Jahr an sowohl tiefe als auch flache Teller als Früchte trug. Doch noch über lange Zeit sollte Porzellan ausschließlich den Königen vorbehalten sein, etwa Ludwig dem Sonnenkönig, der das Geheimnis des Porzellanbaums mit in den Tod nahm, als er auf der Flucht vor der Französischen Revolution im Starnberger See ertrank. Die Chinesische Mauer wurde eingerissen, Kolumbus von einem Eingeborenen mit einer Teekanne erschlagen und Dr. Faust vom Steinernen Gast geholt und so kennen wir heute das Porzellan nur noch aus alten Sagen und Legenden. (November 1991) Deutschland Ein Mann steht auf einem Berg, der eigentlich kein Berg ist, sondern nur ein begrünter Schutthügel, der etwa 50 m über die Umgebung hinausragt, was den Flachländern aber ausreicht, "Berg" zu sagen. Gerade geht die Sonne auf, im Osten wie üblich. Ist der Sonnenball zur Gänze sichtbar, ruft der Mann: "Deutschland!!" Erwartungsgemäß erfolgt keine Antwort. Ein anderer Mann befindet sich auf dem Weg nach oben, in Begleitung eines kräftigen, dickfelligen Hundes. Ob des Geräusches stutzt der Hund verdutzt, dreht die Ohren. Ach, denkt der Mann, schreien wir heute wieder. "Ach, schreien wir heute wieder", sagt der 2. Mann zum 1. Mann, dem er kurz unterhalb des Gipfels begegnet. Mit trauriger Miene schreitet der Schreier zu Tal, sagt "ja". "Na, trotzdem schönen Tag noch", wünscht der 2. Mann. "Was soll´s", antwortet der 1. Mann. "Weiß ich auch nicht", sagt der 2. Mann. Als der 2. Mann den Gipfel erreicht, ist die Sonne inzwischen hinter Wolken verschwunden. Er tätschelt den Kopf des Hundes: "Guter Junge." "Wuff", sagt der Hund. Unten schaut die Stadt starr aus vielen Fenstern. Frieden und Ruhe herrschen, man könnte sorglos hinabsteigen, wenn man nicht ganz genau wüßte. (1994) Fliegende Objekte Es begann mit schüsselförmigen Objekten. Als hätte eine ganze Kompanie Soldaten vor lauter Begeisterung ihre Stahlhelme in die Luft geworfen, und diese seien von einer einheitlichen Strömung erfaßt und unter Beibehaltung ihrer Formation waagerecht weggeweht worden. Alsbald folgten jedoch auch kugelige Gegenstände und schließlich sogar sternartige Dinge mit einer unterschiedlichen Anzahl von Zacken, vor denen die Leute sich zu ducken begannen. Die Farbe all dieser Objekte war ein an Gußeisen gemahnendes Stumpfgrau, die Flughöhe mochte zwischen 5 und 15 Metern über Bodenniveau liegen und die Fluggeschwindigkeit entsprach dem Tempo eines flott in die Pedale tretenden Radlers. Die Geräuschentwicklung war gering, kaum mehr sei nach dem Bericht unseres Gewährsmanns zu vernehmen gewesen als das ungewisse Sausen des von der Bewegung naturgemäß hervorgerufenen Windes. Die Objekte flogen bis zum Eintritt der Abenddämmerung und verschwanden dann wieder; wie es heißt, sei aus dieser Richtung aber künftig mehr zu erwarten. (2001) Der Strandspaziergang ein mann geht am strand spazieren, in heftigem wind, in immer heftiger werdendem wind. er drückt sich seine schirmmütze auf den kopf, dass sie nicht wegfliegen möge, noch fester auf den kopf.."hoffentlich kriege ich die mütze nachher wieder ab", denkt er sich noch, dann fährt ihm der stärkste aller windstösse unter den mützenschirm und -kracks!- hebt ihm die schädeldecke mit ab und trägt sie mitsamt der schirmmütze davon. oh je, oh je, denkt sich der mann, denn ein grosser weisser vogel kommt herbei, packt im flug die mütze mit seinen starken fängen, um sie mit der darin steckenden hirnschale aus grosser höhe auf einen felsen fallen zu lassen, so wie diese art voegel bekanntlich auch mit hartschaligen meeresmuscheln verfährt. die schädelknochen zerbersten; der mann geht mit an der freien luft schwappender gehirnmasse nach hause und fühlt sich gar nicht einmal schlecht dabei. mal ein bisschen frische luft ans hirn lassen, denkt er sich und kichert, humorvoll wie er ist, in sich hinein. in der stadt bemerkt er, wie die menschen erschrocken vor ihm zurückweichen, was er sich zunächst gar nicht erklären kann, bis er feststellt, dass - ja, die jodhaltige seeluft führt zu schnellen mutationen! - seine hirnmasse zwei knapp halbmeterlange fühler ausgebildet hatte, die je eine kugelförmige verdickung am oberen ende trugen und mit deren hilfe er die stimmungen und empfindungen der umstehenden passanten erfassen konnte, aber auch empfindliche elektrische schläge austeilen, wenn es nottat. allmählich begann der mann gefallen an seinem schicksal zu finden und die tat des vogels im nachhinein zu preisen; denn auch seine befuerchtung, das offen zutage liegende gehirn könnte sich als verletzungsanfällig erweisen, bewahrheitete sich nicht, denn eine derbe, lederartige haut hatte sich schnell über den hirnwindungen gebildet. als ihn kurz darauf eine horde jugendlicher überfiel, um ihn böse zu verprügeln, stellte er vergnügt fest, dass er die gegen seinen kopf gerichteten schläge kaum spürte, bevor er mit einigen gezielten bewegungen seiner fühler die angreifer geschockt zu boden schickte. neulich, an einem ruhigen abend, gelang es ihm mit äusserster konzentration sogar, radiosendungen zu empfangen, wenn auch vorerst nur über mittelwelle. aber wer weiss, was noch kommt. (2002) Die Franzosen Die Fliegerbombe, die in Folge des Überraschungsangriffs des Feindes mitten auf dem Marktplatz der Kleinstadt P. einschlug, tötete und zerfetzte dort 12 Franzosen, deren Tod möglicherweise zu vermeiden gewesen wäre, wenn diese sich den anderen Stadtbewohnern angeschlossen und beim Brummen der anrückenden Bomber sich in die Luftschutzräume begeben hätten. Der ehrenamtliche Bürgermeister des Ortes hatte die Franzosen warnen wollen, als diese durch den anschwellenden Fluglärm aufmerksam geworden waren, freundlicherweise in deren Muttersprache, die er allerdings nicht beherrschte, sondern aus einem sogenannten Sprachführer ablas, und hatte ihnen, wie er meinte, zugerufen: "Es ist Krieg!". Seltsamerweise hatten sich die Franzosen daraufhin nicht stören lassen, hatten nur gegrinst unter ihren Baskenmützen und weiter ihre starken Zigaretten geraucht und mit metallenen Bällen oder Kugeln auf eine geharkte Sandfläche auf dem Stadtplatz geworfen. Das fatale Mißverständnis beruhte letztendlich auf einem Fettfleck in dem speckigen, zerlesenen Sprachführer aus der öffentlichen Bibliothek, der zwei millimeterkleine Strichelchen unkenntlich gemacht hatte, so daß der ahnunglose Bürgermeister, in der Absicht, die Worte "C´est la guerre!" auszusprechen, anstatt "Sä Lagähr! Sä Lagähr!" immer nur "Sä Lagahr!" gerufen hatte; daher hatten die Franzosen nur "Bahnhof" verstanden. (2000) IN WOLFSBURG In Wolfsburg ist mir neulich etwas Seltsames passiert. Ein älterer Herr, kleingewachsen, gutgekleidet, mit Glatze, trat auf mich zu und redete mich in einer fremden Sprache an, von der ich nur verstand:..Italiano? - Was, ich? Nee, entgegnete ich. Er entschuldigte und bedankte sich (wofür?), nunmehr auf Deutsch, und ging seines Weges. Ich überlegte eine ganze Weile, ob das wohl ein Kompliment ist, für einen Italiener gehalten zu werden; wobei es sicher noch einen Unterschied macht, ob man von einem Deutschen für einen Italiener gehalten wird oder vom einem Italiener für einen Landsmann. Ich kam zu keinem Ergebnis, hatte aber plötzlich Fetzen eines italienischen Popmusiksongs im Kopf, der aus den 70ern oder frühen 80er Jahren stammen muß und in dem es immer heißt "Lasciate mi cantare.."., was, wie ich heute weiß, schlicht "Laßt mich singen" bedeutet. Damals aber, als Unterstufenschüler ohne sonderliche Sprachkenntnisse, brachte ich die Textzeile mit dem französischen "la chatte" in Verbindung und war lange überzeugt, daß sie mit "Die Katze hat mir was gesungen" zu übersetzen sei, was mir als Katzenfreund sehr sympathisch war. Ich war daher etwas enttäuscht, als ich später die Wahrheit erfuhr. Auch hatte ich lange angenommen, der Sänger des Liedes sei ein gewisser Drupi gewesen; letztendlich war es aber auch nicht einmal Drupi. (April 2002) |